Heimatklänge für die HAZ-Weihnachtshilfe

 

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Die Pianistin Ewa Kupiec spielt am 9. Dezember für die HAZ-Weihnachtshilfe.

Der große, alte Mann der polnischen Musik war begeistert. Doch er wusste auch, was er sich schuldig war. Also behielt der Komponist Karol Szymanowski seine Meinung über das Werk eines Studenten lieber für sich. Zumindest fast – über einen Mittelsmann erfuhr der junge Witold Lutos?awski doch noch, dass die Klaviersonate, mit der er sich erstmals einem größeren Publikum präsentierte, bei dem berühmten Kollegen auf Zustimmung traf.
Es war ein dezenter, aber wichtiger Erfolg für Lutos?awski, der heute, im Jahr seines 100. Geburtstags, als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt. Die frühe Sonate aus dem Jahr 1934 allerdings wollte er später nicht recht gelten lassen. So blieb dem Stück der Ruf des Geheimtipps erhalten: Lutos?awski führte sie gelegentlich selbst auf – achtete aber darauf, dass das Werk nicht in Druck erschien.
Ein halbes Jahrhundert später geriet wieder ein großer, alter Mann der polnischen Musik ins Schwärmen. Diesmal war es Witold Lutos?awski selbst, und er begeisterte sich nicht für einen jungen Komponisten, sondern für eine junge Interpretin. Das Spiel von Ewa Kupiec sei „eine wahre Offenbarung“, befand der Meister. Die 1964 geborene Pianistin hat in ihrer Heimatstadt Kattowitz und in Warschau studiert und sich für die Musik polnischer Komponisten eingesetzt seit sie dem damals sozialistischen Land mit 28 Jahren den Rücken gekehrt hatte: 1992 startete sie nach dem Gewinn des renommierten ARD-Wettbewerbs in München eine internationale Karriere, die sie bis heute zu den großen Orchestern und in die wichtigsten Konzertsäle der Welt führt. Immer im Gepäck: Werke von Frédéric Chopin, Karol Szymanowski und Witold Lutos?awski.
Zum 100. Geburtstag des Avantgardisten hat Ewa Kupiec nun Lutos?awskis Gesamtwerk für Soloklavier auf CD aufgenommen. Zentrales Werk der gerade bei Sony Classics veröffentlichten Aufnahme ist die frühe Klaviersonate, die 2004 – elf Jahre nach dem Tod des Komponisten – mit dem Einverständnis seiner Erben dann doch noch veröffentlicht wurde.
In Ewa Kupiecs Interpretation kann man hören, dass das eine richtige Entscheidung war. Zwar sind in dem Stück Einflüsse vor allem der französischen Impressionisten nicht zu überhören, was dem reifen Lutos?awski möglicherweise etwas peinlich gewesen sein mag. Doch diese machen nur einen zusätzlichen Reiz in einer Klangwelt aus, die wie eine morgendlich geschlossene Blüte kurz vor der Entfaltung steht: Über die Ravel-Mixturen hinaus hört man schon einen Lutos?awski-typischen Umgang mit der Harmonie, der weit auf die freie Musik der Nachkriegszeit vorausweist und doch so fest in der Tradition verwurzelt scheint, dass sich die Schönheit der eigenwilligen Klänge unmittelbar erschließt.
Auffällig ist auch der intime, sehr ausdrucksstarke Charakter des Werkes, der es, obwohl technisch überaus anspruchsvoll, allem oberflächlichen Virtuosentum enthebt.
So rückt Lutos?awski zumindest bei Ewa Kupiec in die Nähe von Frédéric Chopin, der für sie ebenfalls ein Komponist mit einem ungeheuerem Klangsinn ist.
Die reine Brillanz, die viele Pianisten bei Chopin aufpolieren, ist Kupiec bei diesem für sie universellen Musiker viel zu wenig. Der hervorragende Ruf, den Kupiec in der Musikwelt genießt, ist vor allem ihren Chopin-Interpretationen geschuldet. So ist es wohl auch kein Zufall, dass die Pianistin unmittelbar nach den musikalischen Feierlichkeiten zu Chopins 200. Geburtstag als Professorin an die hannoversche Musikhochschule berufen wurde. Hier gibt sie nun regelmäßig ihre Erfahrungen an junge Musiker weiter. „Musik hat eine existenzielle Dimension“, sagt die Professorin. Die Musiker müssten das hörbar machen. Als Pianist dürfe man nie darauf bauen, dass man das Klavierspielen endgültig gelernt habe. „Man kann das Publikum nicht belügen“, sagt sie und räumt ein, dass selbst sie noch nervös werde, wenn sie eine Woche nicht geübt hat.
Das Publikum der Stadt kann sie aber nur sehr selten hören. Seit ihrem Antrittskonzert vor fast zwei Jahren ist Kupiec nicht mehr in Hannover aufgetreten. Nun gibt es eine außergewöhnliche Gelegenheit, die Pianistin zu hören: Am 8. Dezember, spielt sie von 18 Uhr an auf Einladung der Chopin-Gesellschaft Hannover für die HAZ-Weihnachtshilfe im Wilhelm-Busch-Museum. Auf dem Programm stehen die Werke, die zu den Herzstücken ihres Repertoires gehören: zwei Balladen von Frédéric Chopin, Karol Szymanowskis „Masken“ – und die spät wiederentdeckte frühe Klaviersonate von Lutos?awski.

Von Stefan Arndt

Karten gibt es für 20 Euro (13 Euro für HAZ-Abonnenten mit AboPlus-Karte) gibt es in der HAZ-Geschäftsstelle an der Langen Laube und in den HAZ-Ticketshops im Theater am Aegi, im Üstra-Service-Center und in der Galeria Kaufhof am Ernst-August-Platz.

Weitere Konzerte für die HAZ-Weihnachtshilfe (Kleine Auswahl):

Am Freitag, 6. Dezember, erzählen Geigenprofessor Krzysztof Wegrzyn und das Ensemble Il gioco col suono eine musikalische Weihnachtsgeschichte. Beginn im Richard Jakoby Saal der Musikhochschule ist um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.

Am Montag, 9. Dezember, präsentiert das Braunschweiger Posaunenquartett um 20 Uhr Werke aus 450 Jahren Musikgeschichte – und aus allen Teilen der Welt. Der Eintritt zum Konzert in der historischen Schalterhalle im Anzeigerhochhaus ist frei.

Author: Jan Sedelies

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