Ein Beschützer für Joey

Weihnachtshilfe
Katja Blume lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen, aber diese Diagnose war ein Schock. Wochenlang hatte ihr achtjähriger Sohn Joey unter Müdigkeit gelitten, er war schlapp, und er trank mehr als sonst. Sie vermutete zunächst, ihr Kind sei einfach abgekämpft zum Ende des Schuljahrs. Bis im Juli vergangenen Jahres eine Notärztin im Kinderkrankenhaus feststellte: Joey ist an Diabetes erkrankt, an Diabetes Typ 1. Seitdem hat sich das Leben von Katja Blume und ihrem Sohn sehr verändert. Besonders schwer wiegt, dass sie dem Jungen, der das Downsyndrom hat, nicht begreiflich machen kann, was Diabetes bedeutet. Er versteht nicht, dass eine Unterzuckerung für ihn lebensgefährlich werden könnte. Und auch nicht, dass er seiner Mutter Bescheid sagen muss, wenn er zusätzlich zu seinen Mahlzeiten noch etwas essen möchte – weil dann die Insulindosis wieder angepasst werden muss.

In dieser schwierigen Situation ruhen jetzt große Hoffnungen auf einem speziell auf Diabetes geschulten Hund. Acht- bis neunmal täglich muss Joey seinen Blutzucker messen, viermal täglich spritzt ihm seine Mutter das lebenswichtige Insulin, das letzte Mal am Tag um 22 Uhr, manchmal aber noch einmal um 2 Uhr nachts. Und wenn er zum Beispiel sein Abendbrot nicht aufgegessen hat und der Blutzuckerwert bedrohlich abgesackt ist, muss Joey noch in der Nacht sofort etwas essen. „Für uns beide ist das sehr anstrengend“, stellt Katja Blume sachlich fest. Zum Glück ernähre sich ihr Sohn überwiegend von Nudeln mit Soße, Jogurt und Fruchtsaft, weshalb sich die Insulinmengen gut berechnen ließen. „Er mag auch keine Süßigkeiten, und er tauscht nicht, wie viele andere Kinder, sein Schulbrot, sodass ich mir keine Sorgen machen muss, dass in der Schule etwas passieren könnte.“ Beim Inklusionsstammtisch des hannoverschen Vereins „Mittendrin“ hörte die 42-jährige Diplomingenieurin, die sich seit Joeys Geburt ausschließlich um das behinderte Kind kümmert, zum ersten Mal von sogenannten Diabetiker-Warnhunden. Diese Lebensretter auf vier Pfoten können mit ihren feinen Nasen eine lebensgefährliche Unterzuckerung riechen, was besonders nachts wichtig ist. In Notsituationen holen die besonders trainierten Tiere sofort Hilfe, alarmieren weitere Personen, bringen Telefon, Blutzuckermessgerät oder Traubenzucker, öffnen Türen, um Helfer in die Wohnung zu lassen. Seit Ende August lebt Dakota nun bei Katja und Joey Blume.

Der knapp sechs Monate alte Golden-Retriever-Welpe geht in die Hundeschule, er lernt Kommandos wie Sitz, Platz oder an der Leine zu gehen. „Dakota ist ein indianischer Name und bedeutet Freund“, erzählt Joeys Mutter. Und das soll er für ihren Sohn auch werden. „Ich hoffe sehr, dass die beiden mit der Zeit zusammenwachsen.“ Den Namen des Hundes hatte sie schon ausgesucht, bevor Dakota ins Haus kam, „Ich wollte wissen, ob Joey diesen Namen überhaupt aussprechen kann.“ Er schafft es. Und Dakota hat sich inzwischen gut in seine neue Familie eingelebt. Für uns ist er der perfekte Hund“, sagt Katja Blume zufrieden. Sie hätte gern einen Mischling genommen, auch aus finanziellen Gründen, aber die Trainerin der Hundeschule hatte ihr zu einem Labrador oder Retriever geraten – wegen des ausgeglichenen Wesens. 1450 Euro hat Dakota gekostet, so viel kostet solch ein Welpe bei einem guten Züchter. Einen Teil der Summe hat sich Katja Blume monatelang zusammengespart, den Rest geliehen. „Ich habe mir das mit dem Hund intensiv überlegt, auch, ob ich das finanziell schaffe“, sagt Joeys Mutter, die von Arbeitslosengeld II lebt. „Aber ich werde nicht immer rund um die Uhr auf Joey aufpassen können. Vor allem, wenn er älter wird und alleine lostigert, braucht er jemanden, der ihn beschützt und ihm in Notsituationen hilft.“ Im Schwerbehindertenausweis ihres Sohnes steht zwar als Grad der Behinderung eine 100, und aufgrund seines Diabetes in Kombination mit dem Downsyndrom hat ihn die Pflegekasse in Pflegestufe II eingestuft. „Aber ich habe Joey von Anfang an so gefördert, dass er später einmal ein möglichst selbstständiges Leben führen kann“, sagt seine Mutter. Auch deswegen hält sie die Anschaffung des Hundes für so wichtig.

Joey besucht die 3. Klasse der Grundschule am Lindener Markt, er ist Mitglied in einem Sportverein und geht mit seiner Mutter regelmäßig schwimmen. Ende Februar beginnt Dakotas Ausbildung zum Diabetikerwarnhund – in einer Spezialhundeschule in Celle. Die Besitzerin hat selbst eine Tochter mit Diabetes, was für Katja Blume eine Art Garantie bedeutet, dass der Hund dort die bestmögliche Ausbildung erhält, um sie und ihren Sohn bald schon vor extremen Blutzuckerwerten warnen zu können. An fünf Wochenenden bis Ende Juni soll der Retriever alles lernen, was ein Diabetikerwarnhund können muss. Die Ausbildung einschließlich der Prüfungsgebühren kostet 4000 Euro, nach bestandener Prüfung bekommt er auch ein Geschirr mit Diabetikerhund-Abzeichen. Katja Blumes Hoffnung, wenigstens einen Teil der Anschaffungs- und Ausbildungskosten für Dakota erstattet zu bekommen, haben sich zerschlagen. Joeys Krankenkasse hat eine Kostenübernahme ebenso abgelehnt wie die Eingliederungshilfe der Region Hannover. „Dabei ist der Hund eine so große Hilfe – in puncto Diabetes sowieso. Aber auch sonst stellt Katja Blume fest: Der Hund tut ihrem behinderten Kind einfach gut. „Joey ist viel selbstständiger und ruhiger geworden.“

Von Veronika Thomas / Surrey

Author: hsenska

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